Texte paru dans: / Appeared in: * Rondo Magazine (14/05/2016) Harmonia Mundi
HAF8905276
Code-barres / Barcode : 3149020527603
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Guido Fischer, 14.05.2016
Ob Liebesleid oder ein dicker Kater,
ob gemütliche Schäferstündchen oder feiste Gelage – wenn französische
Barockkomponisten vom Schlage eines Michel Lambert oder Marc-Antoine Charpentier
zur Feder griffen, um dem wahren bunten Leben ein Ständchen zu schreiben, kam
immer etwas Besonderes heraus. Mal kosteten sie mit ihren Airs sérieux das
Herzflimmern und -flackern mit aller anrührenden Herrlichkeit aus. Dann wieder
legten sie mit ihren deftigeren Airs à boire (im Deutschen würde man plump
„Sauflieder“ dazu sagen) den Schalter um und huldigten zum Teil äußerst
ausgelassen den Freuden des Alltags und der zum Glück noch halbvollen Flasche.
In die Hochblütezeit jener französischen Vokalform „Air“, wie sie im 17.
Jahrhundert und gerade am Hofe von Ludwig XIV. en vogue war, ist nun William
Christie mit einem erstklassigen Solisten-Quintett sowie seinem in
Quintett-Besetzung aufspielenden Ensemble Les Arts Florissants eingetaucht. Dass
Christie diese Musiksprache schon seit vielen Jahrzehnten in Fleisch und Blut
übergangen ist, weiß man natürlich dank unzähliger Einspielungen. Doch bei
Christie hat man immer wieder den Eindruck, dass er jede seiner Zeitreisen auch
im Aufnahmestudio bis zum letzten Ton mit großem Staunen und riesiger Freude an
solchen musikalischen Trouvaillen und Trüffeln begeht.
So durchgehend leicht und
ausdrucksstark, beschwingt und sehnsuchtsvoll geht ihm und seinen, wie im Fall
des Lautenisten Thomas Dunford zum Teil noch jungen Mitstreitern diese Musik mit
all ihren Aromen und Effekten von der Hand. Als eine Ode für die Ewigkeit
entpuppt sich Michel Lamberts melancholische Air „Le repons …“. Von da aus
schlendert man mit hüpfendem Cembalo und mehrstimmig zum Grab eines von François
Couperins besungenen „Faulenzers“. Und über bittersüße Airs von den wenig
bekannten Komponisten Joseph Chabanceau de La Barre und Honoré d´Ambruys kehrt
Christie nicht einfach zu Marc-Antoine Charpentier und damit einem Großfürsten
der französischen Barockmusik zurück, mit dem er sich schon oft beschäftigt hat.
Mit einem äußerst fidelen Gesang, den Charpentier als Schauspielmusik für
Molières „Erzwungene Heirat“ geschrieben hat, erinnert Christie zugleich an
einen seiner ersten Coups – an seine 1990 veröffentlichte Schauspielmusik von
Charpentier zu „Der eingebildete Kranke“.
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