Analyste: Christiane Bayer
Auch in
Wiedervorlage eine erfreuliche Begegnung: Gambenmusik von Monsieur de
Sainte-Colombe mit Wieland Kuijken und Jordi Savall.
Über Monsieur de
Sainte-Colombe sind kaum gesicherte biografische Daten bekannt. Weder sein
Vorname noch seine Lebensdaten und die Anzahl seiner Töchter oder Söhne sind
zweifelsfrei belegbar. Immerhin weiß man, dass auf ihn die Einführung der
siebten Gambensaite der französischen Instrumente dieser Gattung
zurückzuführen ist und dass Marin Marais zu seinen Schülern zählte. Die
Einzigartigkeit seiner Kompositionen macht ihn zu einem großen Innovator der
französischen Gambenmusik. Sein kompositorischer Einfluss ist auch bei allen
seinen Nachfolgern bemerkbar, da sie seine Art der melodiösen Gesanglichkeit
kopieren. Auch sein unerschöpflicher Einfallsreichtum in der Spieltechnik
etabliert sich als Maß aller Dinge, an dem sich Marais, Couperin, Forqueray
und d‘Hervelois orientierten.
Zu seinen
bedeutendsten Werken zählen die neun Duos für zwei Gamben, die nicht näher
datierbar sind. Die mit ‚Concert‘ betitelten Stücke sind hoch komplexe,
polyphone Tanzsuiten, in denen die Stimmen der beiden Bassgamben in
virtuoser Vollendung umeinander kreisen. In den Jahren 1976 und 1992
spielten Jordi Savall und Wieland Kuijken die Kompositionen für das Label
Astrée ein. Diese Aufnahmen sind nun in einer überarbeiteten SACD-Version
auf zwei CDs bei Savalls Alia Vox wiederaufgelegt worden, so dass man
Sainte-Colombes Klang-Miniaturen neu entdecken kann.
CD 1 enthält die
Werke 'Bourrasque', 'Le Raporté', 'Le Retour', 'Tombeau les Regrets' und 'La
Dubois'. CD2 präsentiert die Concerts 'La Conférence', 'Le Raporté', 'Le
Tendre' und 'La Rougeville' sowie das einsätzige Concert 'Le Figuré'.
Wieland Kuijken
und sein ehemaliger Schüler Jordi Savall bilden ein perfektes Duo, das die
Musik einfühlsam und sensibel darbietet. Die von ihnen verwendeten
historischen Instrumente aus dem späten 17. und frühen 18. Jahrhundert
besitzen einen großen Klangreichtum, der es den beiden Interpreten
ermöglicht, wunderbar gesanglich und harmonisch zu agieren. Sie gehen mit
traumwandlerischer Sicherheit aufeinander ein und wissen genau, wie und wo
sie Akzente setzen können. Sie führen ihre Hörer behutsam durch die
verwinkelten Klangwelten Sainte-Colombes. Manchmal liegt etwas zu viel Hall
auf den Aufnahmen, was wohl der Akustik der romanischen Kirche Saint Lambert
des Bois geschuldet ist. Der dunkle, nicht sehr obertönige Klang der beiden
Instrumente geht dadurch in einigen Momenten in einer leicht diffusen
Klangwolke unter, wodurch die Klarheit der Interpretation leidet. Ansonsten
erweisen sich die beiden Musiker Kuijken und Savall als ideale Ausführende
für die Musik des großen Gambenvirtuosen Sainte-Colombe, da sie den innigen
Duktus der Kompositionen mit Leben füllen. Beide Stimmen stehen ausgewogen
und gleichberechtigt nebeneinander. Die reichen Triller und Verzierungen
wirken organisch aus dem musikalischen Kontext entwickelt. Kantabel verweben
sich die Klänge des Duos zu einem dichten Klangteppich mit opulenter
Ornamentik. Somit sei die Doppel-CD allen empfohlen, die sich gern an
Gambenmusik erfreuen, da die Aufnahmen trotz ihres beträchtlichen Alters
nichts an ihrer musikalischen Schönheit eingebüßt haben.
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